Aus: Flicken und Stopfen von Nina und Sonya Montenegro
Von Löchern und Flecken auf geliebten Kleidungsstücken
Ein Loch stopfen. Das klingt nicht besonders anregend, eher nach lästiger Arbeit. Und wie geht das überhaupt? Was wir wissen: Unsere Grosseltern konnten es! Unsere Eltern vielleicht auch? Im Schrank meiner Eltern stehen sicher noch alte, verstaubte Bücher zum Thema Handarbeiten. Doch wer mag schon alte, verstaubte Bücher aus dem Schrank holen? Und schon wieder ein Loch in der Hose. In der Lieblingshose, ist doch klar. Was tun? Wegwerfen ist keine Option. Hosenbeine abschneiden? Wäre eine Möglichkeit. Vielleicht gibt es aber doch noch eine Andere, bevor ich zur Schere greifen muss?
Neues Modestatement, Kunstform und Protestbewegung
Visible Mending ist derzeit das Schlagwort: Es ist sichtbares Ausbessern, es ist eine Kunstform, ein Modestatement und zu einer Art Protestbewegung gegen Fast Fashion geworden. Visible Mending kann vieles sein: Stickerei, Kunststopfen, Flicken, Nähen. Tom of Holland, Molly Martin, Claire Wellesley-Smith, Jessica Smulders-Cohen und Hikaru Noguchi sind nur eine Handvoll SpezialistInnen, die sich mit Leidenschaft und beeindruckendem Können der Reparatur von Textilien widmen. Es fasziniert mich, dass sie einem alten, vermeindlich unbrauchbar gewordenem Kleidungsstück so viel Respekt und Wert geben. Und es zu etwas Neuem machen. Der Opapullover wirkt auf einmal nicht mehr vestaubt, das schillernde Designerstück erlebt eine Renaissance ausserhalb des Kleiderschranks. Die selbstgestrickten Socken gehen nochmal auf eine Reise und das geerbte Nachthemd erzählt auf einmal Gutenachtgeschichten. Der Nebeneffekt bei dem Ganzen ist Nachhaltigkeit, oder wie es der deutsche Unternehmer Eric Schwetzer so schön sagte: „Bei allem, was man tut, das Ende zu bedenken, das ist Nachhaltigkeit.“ Visible Mending ist eine Form, die Lebensdauer eines Kleidungsstücks oder irgendeines anderen Textils zu verlängern. Sogar, es neu zu entdecken. Die Zeit die wir uns nehmen, etwas zu reparieren, verbindet uns mit den Dingen. Etwas zu reparieren bedeutet auch, es kennenzulernen, zu verstehen wie es hergestellt wurde. John Freeman schreibt in seinem Buch The Tyranny of Email: „The speed at which we do something – anything – changes our experience of it.“ Seitdem ich selber Kinder habe, gehören Löcher und Flecken quasi zur Tagesordnung. Nach einiger Zeit war ich es Leid, immer wie ein Fuchs aufpassen zu müssen, dass nichts kaputt geht oder dreckig wird. Diese wertvollen und teuren Kleider aus Wolle und Seide – sie sollen doch getragen werden und nicht nur dem Schrank Gesellschaft leisten! Sie sind doch dafür gemacht, dass Kinder in ihnen rumräubern, klettern und in Pfützen springen – so bequem wie sie sind. Tja, so (oder so ähnlich) kam ich zum Thema Visible Mending. Ein paar Sachen habe ich schon ausprobiert. Ein Loch stopfen ist kein Problem mehr, aber sicherlich ist noch mehr möglich Ich werde in Zukunft versuchen, euch an dieser Stelle meine kleinen Projekte vorzustellen… Wollt ihr es selber ausprobieren? Ich kann euch sehr diese Bücher hier empfehlen: The Art of Repair von Molly Martin Flicken und stopfen: Das Handbuch für einen nachhaltigen Kleiderschrank von Nina und Sonya Montenegro